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Hoi An – Seidenraupen und Weihnachtsmann

23. DEZEMBER 2012 – Vietnam Impressionen (6)

Heute Morgen keine Fahrradtour zu dem kleinen Dorf in der Nähe von Hoi An. Es hat die ganze Nacht geregnet und gestürmt. Der Feldweg ist noch glitschig und schlecht befahrbar. Trotzdem können wir mit Hoa nach kurzer Zeit auch ohne Regen durch Hoi An schlendern. Stelle mir eine journalistische Reise mit dem Zug von Saigon nach Hanoi vor, mit vielen
Zwischenstationen, in denen ich Hoa und Thé als Begleitung hätte. Hoa ist ebenso skeptisch wie Thé es in Hanoi war, obwohl er im Gegensatz zu Thé keinen politischen Fragen aus-
weicht. So frei scheint dieses immer noch kommunistische Land doch noch nicht zu sein. Erst seit zwei Jahren gäbe es hier Pressefreiheit, erklärt Hoa.
DSC_0533Wir schlendern über den Fisch- und Gemüsemarkt, der direkt am Thu Bon Fluss liegt und fahren dann mit dem Boot in ein kleines Dorf, dass früher von Töpferarbeiten leben
konnte. Inzwischen ist es nur noch von alten Menschen und Kindern bewohnt. Die jungen Leute arbeiten irgendwo in den Städten, um der Armut und dem primitiven Leben in diesem Ort zu entkommen. Die Kinder lassen sie bei den Großeltern. Die betteln uns jetzt an und die Töpferinnen möchten, dass wir ihnen kleine Figuren abkaufen. Hoa ist der Gang durch das Dorf ebenso unangenehm wie uns. Er hatte vorgeschlagen mit dem Boot Richtung Mündung zu fahren, um die schöne Landschaft zu genießen. Wenn ich gewusst hätte warum, hätte ich nicht auf die angekündigte Fahrt ins Töpferdorf bestanden.

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Nach unserer Rückkehr besichtigen wir ein typisches früheres Wohnhaus von Hoi An, dessen Altstadt zum UNESCO Kulturerbe gehört. Im Haus leben noch die sichtbar verarmten Besitzer. Wir essen eine Kleinigkeit bei einer Garküche am Fluss und gehen dann in ein Geschäft für Seidenbekleidung, in dem uns die Entstehung der Seide am Beispiel der unterschiedlichen
Entwicklungsstufen der Raupen gezeigt werden.

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Ganz oben werden die Fäden gesponnen. In der Nähe steht das Model eines Saccos aus Rohseide, das ich mir anschaue. Sofort werde ich von einer Verkäuferin aufgefordert, das Sacco anzuprobieren. Es ist mir etwas zu klein, aber in dem Geschäft würde auf Maß geschneidert. Noch am selben Abend könne ich das Sacco anprobieren und am nächsten Tag abholen. Dann könnte ich es Heiligabend tragen.

Hoa hat draußen gewartet. Wir gehen Kaffee trinken und Kuchen essen. Wir bräuchten nicht für ihn zu bezahlen, als Reiseleiter bekäme er das umsonst. Mit dem Auto fahren wir zu einem Massagestudio, das Hoa uns empfohlen hat, weil die Mädchen dort besser seien als im Hotel und die Massage weniger kosten würde. Hoa versorgt seine Leute. Das Studio ist gut besucht, es warten schon einige Kunden bei einer Tasse Tee. Vor ihnen kleine Wannen, in denen die Füße gewaschen werden, bevor man ins Massagezimmer geführt wird. Zwei dünne Matratzen liegen auf dem Boden. Zwei junge Mädchen stehen für die neunzigminütige Ganzkörpermassage bereit. Es ist nicht richtig warm im Zimmer. Draußen stürmt und regnet es, und wir bekommen Regentropfen ab. Die Fenster bleiben trotzdem geöffnet, weil der Raum klein ist und die Masseurinnen hart an unseren Körpern arbeiten. Ich genieße es, bin danach völlig entspannt. Zum Abschluss wie immer ein Tee. Das Taxi zum Hotel geht aufs Haus.

Abends fahren wir mit dem Hotelshuttle noch einmal in die Stadt. Zuerst gehen wir in das Seidengeschäft. Ich kann mein Sacco schon anprobieren. Alles passt. Ich solle doch noch ein Hemd dazu kaufen, empfiehlt die Verkäuferin. Aber ich bleibe standhaft.
Mehrere Stunden hat es geregnet, so dass sogar der Fluss in der Innenstadt von Hoi An über das Ufer trat und die Straße am Markt teilweise unter Wasser gesetzt hat. Vor dem Lokal, wo wir essen wollten, riecht es vom Markt her, der auch unter Wasser steht, nach Abfällen. Wir weichen in ein anderes Lokal aus. Heute Abend ist es ungemütlich in der Stadt. Wir holen nach dem Essen sofort unsere Seidenweihnachtsgeschenke ab und fahren zurück ins Hotel.

DSC_0551Am Morgen ist es trocken, so dass wir mit dem Fahrrad durch die Reisfelder fahren können. Die Räder hat Hoa schon vor den Eingang gestellt. Der Himmel reißt auf. Es wird sonnig und angenehm warm. Kurz vor der Stadt biegen wir ab in die Wasser-
palmenallee. Links und rechts Reisfelder und Fischteiche. Ein Wasserbüffel mit zwei Jungen versperrt uns den Weg. Auf einem Feld
bereitet ein Bauer den schlammigen, wässrigen Boden maschinell mit einer Planierrolle für die Reissetzlinge auf. Rundherum sitzen und fliegen Seidenreiher.

DSC_0569Beim Gemüsebauer werden wir von einer alten Frau begrüßt. Ich kann mich nicht sattsehen an ihrem witterungsgegerbten, stolzem Gesicht. Sie hält eine Zigarette in ihren von schwerer Arbeit gezeichneten Hand. Wir sollen ein bisschen die landwirtschaftlichen Tätigkeiten kennenlernen, ein Beet hacken, für die Pflanzung vorbereiten, danach die Setzlinge in den Boden stecken und abschließend das frische Beet bewässern. Getrocknete Pflanzen als Düngung in zwei großen Schalen, die an einem langen Stab hängen und über den Schultern liegen, müssen wir zu dem Beet bringen. Wir tragen einen braunen Kittel und den typischen geflochtenen vietnamesischen Kegelhut. Tom und Jerry, stößt der Jüngere mich an und lacht. Sie verdienen sich ein wenig Geld dazu, in dem sie Touristen wie in einem Schulgarten betreuen. Nach der Gartenarbeit haben wir dringend eine Fußmassage nötig, die wir von zwei humorvollen Frauen erhalten, die das ganze ebenfalls nicht so ernst nehmen. Danach dürfen wir Frühlingsrollen zubereiten. Ein Koch zeigt uns wie man den Teller ästhetisch schön mit den Speisen gestaltet. Eine leckere Mahlzeit am frühen Nachmittag, die bis zum Weihnachtsdinner reichen muss.

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Ninh Binh – »Sexy Mädchen« im Schlammwasser

18. DEZEMBER 2012 – Vietnam Impressionen (2)

Um sechs Uhr morgens steht Tai Chi auf dem Programm, aber nicht wie angekündigt am Seeufer, sondern auf einem Parkplatz im Regen. Wir erhalten eine kleine Einführung von einem älterer Mann und seiner Frau. Meine Begleiterin hat die kleine, lächelnde Vietnamesin als Vortänzerin und ist lockerer als ich. Jeden Morgen treffen sich hier meist ältere Menschen. Ihre Bewegungen sind harmonisch. Wenn man die Abläufe internalisiert hat und sich der Musik hingibt, soll es eine heilende Wirkung haben. Der Regen wird stärker. Wir suchen Schutz unter den Baumkronen. Unsere Lehrer fordern uns auf weiterzumachen. Sie geben die Schrittfolge und Bewegungen der Hände und Arme vor. Noch ein- zwei Mal muss ich es versuchen und kann mich doch nicht richtig konzentrieren. Wir bedanken uns bei den beiden Alten. Unser Reiseleiter bezahlt, wir geben ein Trinkgeld und kaufen eine CD. Dann fahren wir zurück ins Hotel zum Frühstück.
Thê wartet vor der Rezeption und telefoniert noch einmal mit der Agentur und dem Flughafen. Unser Gepäck ist da. Wir können es abholen und fahren gleich danach in die
Provinz Ninh Binh. Die typischen Tuffsteinberge, die man aus Bildbänden kennt, tauchen in der Ferne auf. Manche sind halb abgetragen, davor stehen Zementfabriken. Thê bedauert das sehr, aber dagegen könne man nichts machen.

DSC_0096Weiter zum Dorf Ghia Hung. Als wir ankommen schäppert es über uns aus dem Lautsprecher bis in den letzten Winkel des Ortes. Musik und offenbar wichtige Durchsagen für die Dorfbewohner, und es scheint nur ein Lautsprecher für den gesamten Ort zur Verfügung zu stehen. Ich hatte mich auf Ruhe im Dorf gefreut. Aber der Hof, den wir besuchen, liegt nicht weit genug entfernt.
Begrüßung durch den Hausherrn und seiner Frau bei einem Tee. Danach wird uns von der Tochter der Tisch gefüllt mit Frühlingsrollen, Gemüse mit viel Minze, Fisch, Fleisch und Reis. In kurzen Abständen lünkern zwei Jungen neugierig um die Ecke. Der Gastgeber erscheint ein paar Mal lächelnd auf der überdachten, schattigen Terrasse mit einer Flasche selbstgebrannten Schnaps und schenkt uns ein. Ich habe den Eindruck, auch beim dritten Mal nicht ablehnen zu dürfen, lobe den Obstbrand und bedanke mich sehr herzlich. Thê und unser Fahrer essen von uns getrennt im Haus.

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Mit dem Fahrrad am Boi Fluss an Reisfeldern und Fischteichen entlang. Endlich Ruhe. Kurz hinter dem Dorf vor Feldern und Tuffsteinbergen an einem Nebenweg ein Friedhof, auf dem viele Leute stehen und Gräber ausheben. Ich möchte mir das anschauen. Thê willigt nur zögernd ein. Aber die meist jungen Menschen winken uns zu, sind gut gelaunt und rufen den Langen Nasen etwas zu. Was machen die Leute da? Hier in Nordvietnam, erzählt Thê, sei es Brauch, dass die Angehörigen die Gebeine der Verstorbenen nach drei Jahren (»inzwischen sei kein Fleisch mehr dran«) wieder ausheben. Die Knochen werden dann im steinernen Familiengrab mit den kleinen Pagoden beigesetzt. Früher durfte man die Gräber auf dem Land auf seinen Feldern errichten. Die Grabpagoden stehen auch heute noch im Sumpf verteilt. Drumherum Wasserbüffel und Silberreiher. Der schmale, wegen des häufigen Hochwassers etwas erhöht gelegene Plattenweg, auf dem man einem Auto gerade so eben ausweichen kann, führt durch Reisfelder, die hier im Norden zwei Mal bestellt werden.

DSC_0120Ein Mann auf dem Mofa, mit einem großen am Lenkrad herunterhängendem Fisch, kommt uns entgegen. Kurz darauf erregt eine größere Gruppe Menschen unsere Aufmerksamkeit. Zwei Frauen stehen in Kleidern mit großen, weißen Eimern in den Händen bis zu den Hüften im Schlammwasser und lachen, als sie mich mit dem Fotoapparat sehen. Die eine ruft: »Sexy Mädchen, was!« und biegt sich sehr anmutig vor Lachen. Im Teich hängt ein großes Netz, aus dem ein Mann mit einem geräumigen Käscher und mit Hilfe eines zweiten im Wasser stehenden Mannes alle möglichen Fischarten herausholt. Große und kleine Zappler.

DSC_0143Seine schwere Last schüttet er ein paar Meter weiter in ein mit Wasser gefülltes Plastikplanenbecken in dem schon viele
Fische schwimmen. Besonders große Exemplare trägt er mit der Hand zu einer Waage. Immer mehr Zuschauer finden sich ein. Auch ein alter Mann mit einer roten traditionellen Kappe und einem Ho Chi Minh Bärtchen und Jogginghose. Er freut sich, dass ich ihn fotografieren möchte.

DSC_0128Im Hintergrund liegen die sattgrünen Reisfelder mit der jungen gesprossenen Saat. Aber im Moment sei es noch zu kalt, und außerdem würde es regnen, da könne man die jungen Sprößlinge, die in Handarbeit in die Felder eingesetzt werden, noch nicht pflanzen. Erst müsse wieder die Sonne scheinen und eine bestimmt Temperatur erreicht sein, sonst sei die Ernte verdorben. Im Südvietnam hätten sie es da leichter, da gäbe es sogar drei Reisernten im Jahr. Thê drängt, wir müssten weiter, die Bootsfrau am Fluss in Van Long warte auf uns.

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Von Van Long (Trockene Halong Bucht) mit dem flachen Plankenboot, dem Sampan, durch das Schilf und die Tuffsteinberge. Es ist schon drei Uhr und nur ein einziges Boot kommt uns entgegen. Eine unglaubliche Ruhe, gepaart mit den leisen Schlägen unserer rudernden Vietnamesin hinter uns. Wir gleiten in eine Höhle. Etwas Licht vom flachen Ausgang auf der anderen Seite, wo der Fluss sich fortsetzt. Aber wir wenden. Jetzt beginnt eine Fahrt durch grünes Flussfahrwasser. Sind es schwarzgraue Störche, die gerade emporsteigen? Sie fliegen wie Weißstörche über uns hinweg. Und dann wieder große Schwärme von Silberreihern vor den grünen Tuffsteinzuckerhüten. Schnell wird es dämmrig und leicht dunstig. Eine fast mystische Stimmung im Vorabendlicht.

Bei unserer Rückkehr wartet Liu und möchte noch eine bestickte Tischdecke verkaufen. Wir müssen sie enttäuschen, obwohl sie glaubte, mich schon vor der Bootsfahrt mit ihrem mädchenhaften Charme auf ihrer Seite zu wissen.
Wir fahren ins Hotel. Haben in den letzten beiden Tagen viel erlebt und der Jetlag schlägt zu. Wir verzichten darauf, noch etwas zu essen, fahren stattdessen hoch in den achten Stock, gehen in die Sauna und lassen uns massieren.