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Ninh Binh – »Sexy Mädchen« im Schlammwasser

18. DEZEMBER 2012 – Vietnam Impressionen (2)

Um sechs Uhr morgens steht Tai Chi auf dem Programm, aber nicht wie angekündigt am Seeufer, sondern auf einem Parkplatz im Regen. Wir erhalten eine kleine Einführung von einem älterer Mann und seiner Frau. Meine Begleiterin hat die kleine, lächelnde Vietnamesin als Vortänzerin und ist lockerer als ich. Jeden Morgen treffen sich hier meist ältere Menschen. Ihre Bewegungen sind harmonisch. Wenn man die Abläufe internalisiert hat und sich der Musik hingibt, soll es eine heilende Wirkung haben. Der Regen wird stärker. Wir suchen Schutz unter den Baumkronen. Unsere Lehrer fordern uns auf weiterzumachen. Sie geben die Schrittfolge und Bewegungen der Hände und Arme vor. Noch ein- zwei Mal muss ich es versuchen und kann mich doch nicht richtig konzentrieren. Wir bedanken uns bei den beiden Alten. Unser Reiseleiter bezahlt, wir geben ein Trinkgeld und kaufen eine CD. Dann fahren wir zurück ins Hotel zum Frühstück.
Thê wartet vor der Rezeption und telefoniert noch einmal mit der Agentur und dem Flughafen. Unser Gepäck ist da. Wir können es abholen und fahren gleich danach in die
Provinz Ninh Binh. Die typischen Tuffsteinberge, die man aus Bildbänden kennt, tauchen in der Ferne auf. Manche sind halb abgetragen, davor stehen Zementfabriken. Thê bedauert das sehr, aber dagegen könne man nichts machen.

DSC_0096Weiter zum Dorf Ghia Hung. Als wir ankommen schäppert es über uns aus dem Lautsprecher bis in den letzten Winkel des Ortes. Musik und offenbar wichtige Durchsagen für die Dorfbewohner, und es scheint nur ein Lautsprecher für den gesamten Ort zur Verfügung zu stehen. Ich hatte mich auf Ruhe im Dorf gefreut. Aber der Hof, den wir besuchen, liegt nicht weit genug entfernt.
Begrüßung durch den Hausherrn und seiner Frau bei einem Tee. Danach wird uns von der Tochter der Tisch gefüllt mit Frühlingsrollen, Gemüse mit viel Minze, Fisch, Fleisch und Reis. In kurzen Abständen lünkern zwei Jungen neugierig um die Ecke. Der Gastgeber erscheint ein paar Mal lächelnd auf der überdachten, schattigen Terrasse mit einer Flasche selbstgebrannten Schnaps und schenkt uns ein. Ich habe den Eindruck, auch beim dritten Mal nicht ablehnen zu dürfen, lobe den Obstbrand und bedanke mich sehr herzlich. Thê und unser Fahrer essen von uns getrennt im Haus.

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Mit dem Fahrrad am Boi Fluss an Reisfeldern und Fischteichen entlang. Endlich Ruhe. Kurz hinter dem Dorf vor Feldern und Tuffsteinbergen an einem Nebenweg ein Friedhof, auf dem viele Leute stehen und Gräber ausheben. Ich möchte mir das anschauen. Thê willigt nur zögernd ein. Aber die meist jungen Menschen winken uns zu, sind gut gelaunt und rufen den Langen Nasen etwas zu. Was machen die Leute da? Hier in Nordvietnam, erzählt Thê, sei es Brauch, dass die Angehörigen die Gebeine der Verstorbenen nach drei Jahren (»inzwischen sei kein Fleisch mehr dran«) wieder ausheben. Die Knochen werden dann im steinernen Familiengrab mit den kleinen Pagoden beigesetzt. Früher durfte man die Gräber auf dem Land auf seinen Feldern errichten. Die Grabpagoden stehen auch heute noch im Sumpf verteilt. Drumherum Wasserbüffel und Silberreiher. Der schmale, wegen des häufigen Hochwassers etwas erhöht gelegene Plattenweg, auf dem man einem Auto gerade so eben ausweichen kann, führt durch Reisfelder, die hier im Norden zwei Mal bestellt werden.

DSC_0120Ein Mann auf dem Mofa, mit einem großen am Lenkrad herunterhängendem Fisch, kommt uns entgegen. Kurz darauf erregt eine größere Gruppe Menschen unsere Aufmerksamkeit. Zwei Frauen stehen in Kleidern mit großen, weißen Eimern in den Händen bis zu den Hüften im Schlammwasser und lachen, als sie mich mit dem Fotoapparat sehen. Die eine ruft: »Sexy Mädchen, was!« und biegt sich sehr anmutig vor Lachen. Im Teich hängt ein großes Netz, aus dem ein Mann mit einem geräumigen Käscher und mit Hilfe eines zweiten im Wasser stehenden Mannes alle möglichen Fischarten herausholt. Große und kleine Zappler.

DSC_0143Seine schwere Last schüttet er ein paar Meter weiter in ein mit Wasser gefülltes Plastikplanenbecken in dem schon viele
Fische schwimmen. Besonders große Exemplare trägt er mit der Hand zu einer Waage. Immer mehr Zuschauer finden sich ein. Auch ein alter Mann mit einer roten traditionellen Kappe und einem Ho Chi Minh Bärtchen und Jogginghose. Er freut sich, dass ich ihn fotografieren möchte.

DSC_0128Im Hintergrund liegen die sattgrünen Reisfelder mit der jungen gesprossenen Saat. Aber im Moment sei es noch zu kalt, und außerdem würde es regnen, da könne man die jungen Sprößlinge, die in Handarbeit in die Felder eingesetzt werden, noch nicht pflanzen. Erst müsse wieder die Sonne scheinen und eine bestimmt Temperatur erreicht sein, sonst sei die Ernte verdorben. Im Südvietnam hätten sie es da leichter, da gäbe es sogar drei Reisernten im Jahr. Thê drängt, wir müssten weiter, die Bootsfrau am Fluss in Van Long warte auf uns.

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Von Van Long (Trockene Halong Bucht) mit dem flachen Plankenboot, dem Sampan, durch das Schilf und die Tuffsteinberge. Es ist schon drei Uhr und nur ein einziges Boot kommt uns entgegen. Eine unglaubliche Ruhe, gepaart mit den leisen Schlägen unserer rudernden Vietnamesin hinter uns. Wir gleiten in eine Höhle. Etwas Licht vom flachen Ausgang auf der anderen Seite, wo der Fluss sich fortsetzt. Aber wir wenden. Jetzt beginnt eine Fahrt durch grünes Flussfahrwasser. Sind es schwarzgraue Störche, die gerade emporsteigen? Sie fliegen wie Weißstörche über uns hinweg. Und dann wieder große Schwärme von Silberreihern vor den grünen Tuffsteinzuckerhüten. Schnell wird es dämmrig und leicht dunstig. Eine fast mystische Stimmung im Vorabendlicht.

Bei unserer Rückkehr wartet Liu und möchte noch eine bestickte Tischdecke verkaufen. Wir müssen sie enttäuschen, obwohl sie glaubte, mich schon vor der Bootsfahrt mit ihrem mädchenhaften Charme auf ihrer Seite zu wissen.
Wir fahren ins Hotel. Haben in den letzten beiden Tagen viel erlebt und der Jetlag schlägt zu. Wir verzichten darauf, noch etwas zu essen, fahren stattdessen hoch in den achten Stock, gehen in die Sauna und lassen uns massieren.