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Langohraffen – Kurze und lange Nasen

20. DEZEMBER 2012 – Vietnam Impressionen (4)

Wir verzichten auf Tai Chi am frühen Morgen auf dem Oberdeck. Um acht Uhr setzen wir mit einer kleinen Gruppe mit dem Begleitboot zu einer Lagune über. Morgens könne man dort Langohraffen sehen. Aber wir haben kein Glück, wie andere Touristen vor uns auch nicht. Es herrscht eine wunderbare Stille in der Lagune. Nur eine sehr begrenzte Anzahl von Booten wird gleichzeitig hineingelassen. Bei der Rückkehr die übliche Begrüßung an Bord. Nach dem Frühstück genießen wir die im Morgendunst liegende bezaubernde Landschaft.

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Thê wartet schon am Kai auf uns. Rückfahrt nach Hanoi zum Flughafen. Unterwegs besichtigen wir einen Tempel, der unscheinbar etwas Abseits an der Straße liegt.
Während der Autofahrt erzählt Thê ein wenig von sich. Er ist verheiratet. Seine Frau ist Rechtsanwältin und zur Zeit in Ho Chi Minh City. So nennen fast alle unsere Reiseleiter die ehemalige Hauptstadt Südvietnams, Saigon. In Ho Chi Minh City gäbe es bessere Spezialisten für eine künstliche Befruchtung. In Vietnam keine Kinder zu haben sei ein sehr großer Makel. Genauso wichtig sei es, das ein Sohn geboren wird, weil nur der den Namen der Familie weitertragen kann. Vietnam ist vom Konfuzianismus mit seiner strengen hierarchi-
schen Ordnung in Familie und Staat geprägt. In der Familie genießen die alten Menschen die höchste Anerkennung und werden von den Jüngeren verehrt. Obwohl die meisten Vietnamesen nicht gläubig seien, sagt Thê, hätten sie doch einen Glauben, auch wenn er von unterschiedlichen Strömungen wie Konfuzianismus, Taoismus, Buddhismus und Christentum durchmischt sei. Als wir den Tempel betreten, verbeugt sich Thê. Es gibt unterschiedlich große Figuren, jede einzelne verkörpert bestimmte Tugenden. So wie das Gute und das Böse – Yin und Yang.

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Es gibt Buddhas und Muttergottheiten, Naturgeister und Helden, die verehrt werden. Die volkstümlichen Einstellungen zu den Religionen sind sehr von Pragmatismus geprägt, denn die Heiligen und Gottheiten sollen die Menschen beschützen, ihnen helfen, auch Kinder zu bekommen. Besonders einen männlichen Nachfolger, und sie sollen ihnen Glück bringen. Eine Religion die sich nicht im Diesseits bewährt, habe bei den Vietnamesen keine Chance. Das klingt sehr sympathisch. Ahnenkult, Verehrung von Gottheiten und der Mondkalender seien die drei Säulen des geistigen Lebens in Vietnam, lese ich, und das bestätigt sich auch im weiteren Verlauf unserer Reise.

Draußen auf den Altären haben die Menschen Obst, Reis und andere Lebensmittel gestellt. Die seien für die Ahnen, sagt Thê, die weiter in der Familie mitlebten. Das sei auch bei Ihnen in der Großfamilie so. In jedem Haus gäbe es einen Altar. Wenn seine Frau kochen würde, dann stellte sie das Essen erst einmal für die Ahnen auf den Altar und erst danach würden sie mit dem Mahl beginnen. Das sei etwas sehr Schönes, wenn die Ahnen in der Familie auf diese Weise präsent blieben.

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Später besuchen wir noch andere Tempel, in denen besonders Frauen inbrünstig für einen Sohn beten und Zettel mit Wünschen auf den Altar legen. Oder es werden, um die Götter zu erweichen, bienenkorbartige Räucherstäbchenspiralen gekauft und im Tempel aufgehängt. Um so wichtiger der Tempel, um so mehr Spiralen hängen unter der Decke. In einigen Tempeln muss man tagelang auf einen Platz warten, bis die Räucherstäbchen aufgehängt werden können. Die Decke ist so voll, dass man die Heiligenfiguren dahinter nicht mehr sehen kann. Diese Tempel bräuchten sich nicht um ihre Einnahmen zu sorgen, sie hätten viel Geld zur Verfügung.

The_VDZurück am Flughafen in Hanoi. Thê begleitet uns bis zum Schalter und wartet so lange bis wir eingecheckt haben, und er sicher sein kann, dass es keine Schwierigkeiten geben wird. Die Reiseleiter arbeiten alle freiberuflich und sind für mehrere Agenturen tätig. Ein Abschiedsfoto. Zusammen wollen wir noch einmal in die Berge Nordvietnams reisen. Lange Nase mit kurzer Nase in der Provinz, kichert Thê.  Wenn das seine Kollegen erführen, würden die sagen: Jetzt sei Thê völlig Ballaballa.

Flug nach Hue. Unser neuer Reiseleiter heißt Hoa, ein vietname-
sischer Patriot, der, wie er uns, kaum dass wir im Auto sitzen, schmunzelnd mitteilt, sein Deutsch im Biergarten gelernt habe. Und auf der Fahrt zum Hotel erzählt er uns auch mit vietnamesischem Stolz: Wir haben 1000 Jahre im Krieg gelebt. Und wir haben alle Großen geschlagen, die Mongolen, die Chinesen, die Franzosen und als letzte sogar noch die Amerikaner. Ein so kleines Land, nie verloren, Wahnsinn, ey!
Wenn wir noch Getränke bräuchten, gegenüber vom Hotel gäbe es einen Laden, da könnten wir billig Bier kaufen. Für ein Drittel von dem, was wir an der Bar bezahlen müssten. Wenn dort schon zu sei, könnten wir ruhig klopfen. Sie seien deshalb nicht böse. Als wir später vor dem verschlossenen Rollgitter stehen, beschließen wir doch, das teuere Bier an der Bar vor dem Swimmingpool zu trinken. Obwohl es erst kurz vor Elf ist, sind nur zwei Gäste im Lokal, die kurz danach aufbrechen. Wir sind müde und gehen schon bald in unsere sehr stilvoll mit Holztäfelungen eingerichtete Lodge. Nur kurz versuchen wir, uns davor auf unsere kleine Terasse zu setzen. Die Moskitos begrüßen uns vielzählig und treiben uns in die geschützten, klimatisierten Räume. Vor unserer Lodge stehen Bananen­bäume und auch im Innenhof blicken wir beim Duschen auf die grünen großen Blätter.

Halong Bucht – Kohlenstaub vor bizarrer Kulisse

19. DEZEMBER 2012 – Vietnam Impressionen (3)

Wir fahren zur Halong Bucht. Gewöhnen uns langsam an die Fahrweise der Vietnamesen. Nur nicht an die blauen Ling Long Busse, deren Fahrer unglaublich rücksichtslos agieren, sehr waghalsig links und rechts und auch auf der Fahrspur des Gegenverkehrs überholen. Aber auch das scheinen alle zu kennen und darauf eingestellt zu sein.
Die Luft wird immer stickiger. Kurz vor Halong überall Kohlenruß auf der Straße. Die meisten Bewohner arbeiten im Bergwerk. Die Steinkohle liegt hier nicht wie im Ruhrgebiet in der Tiefe, sondern wird, wie bei uns die Braunkohle, über Tage abgebaut. Ein großes Kraftwerk steht mitten im Ort. Die Luft ist voller Kohlenstaub und verursacht bei mir eine leicht
depressive Stimmung. Trotzdem freuen wir uns auf die Dschunkenfahrt in der Halong Bucht. Alles ist bis ins Kleinste hervorragend organisiert.

DSC_0228Die Tuffsteinberge liegen wie schon in Nin Binh in einem
leichten Dunst. Nach dem Essen erhalten wir Schwimmwesten und fahren mit einem Beiboot zur Sung Sot Grotte, einer Tropfsteinhöhle. Für die zehnminütige Fahrt werden wir verabschiedet, als gingen wir einem längeren großen Abenteuer entgegen. »Welcome back«, werden wir bei unserer Rückkehr herzlich von den netten Mädels an Bord begrüßt und erhalten ein nasses Tuch, als hätten wir in der Höhle Ausgrabungen vornehmen müssen.

DSC_0229Den Ausflug eine halbe Stunde später zu einem Aussichts-
punkt ersparen wir uns, legen uns mit einem Glas Wein auf das Oberdeck und genießen die bizarre Landschaft. Auch den Kochkurs danach schlappern wir, lassen uns aber zur Happy Hour ein paar Kostproben der Frühlingsrollen schmecken. Etwas später beginnt das Dinner.

DSC_0285Danach ein Filmangebot: »Der stille Amerikaner« nach einem Roman von Graham Greene. Der Film spielt in der Zeit von 1952 bis 1954, als die Amerikaner den Politiker Ngo Dinh Diem als Marionette in Saigon zum Präsidenten von Südvietnam installierten, garniert mit einer Liebesgeschichte zwischen einem schon älteren, der amerikanischen Vietnampolitik kritisch gegenüberstehenden Journalisten und seinem regimetreuen jungen Widersacher, der bei einem Attentat der südvietnamesischen Befreiungsorganisation ums Leben kommt. Die hübsche Vietnamesin möchte nur raus aus Saigon  und kehrt nach dem Tod ihres jungen Liebhabers zu dem stillen Amerikaner zurück. Bei unserem späteren Besuch in dem heutigen Ho Chi Minh City werden wir oben auf der Terrasse des Majestic Hotels mit Blick auf den Saigonfluss sitzen, auf der Graham Greene zu diesem Roman inspiriert worden sein soll. Außer uns schauen sich nur noch zwei Männer, einer vermutlich ein in Amerika lebender Vietnamese und ein älterer Mitreisender, den Film an.